Spredder.de - Qualitätsjournalismus für 2 Cent pro Zeichen?

Spredder-deDer ehemalige Co-Leiter des "Spiegel"-Büros in Berlin und spätere "Max“-Chefredakteur Hajo Schumacher (46) ist nun mit einem "Online-Shop für Qualitätsjournalismus" an den Start gegangen. Unter Spredder.de ist das gleichnamige Projekt zu erreichen und soll freien Journalisten ermöglichen, ihre Texte zu vermarkten.

Nach Registrierung bei Spredder.de können Autoren ihre Beiträge einreichen. Die Macher des Angebots entscheiden dann, ob der jeweilige Text den qualitativen Ansprüchen genügt und damit in das Portfolio aufgenommen wird. Dem Abnehmer werden letztendlich 2 Cent pro Zeichen für die journalistische Leistung berechnet. 70% davon bleiben als Honorar für den Autoren.

Momentan wirkt das Angebot von Spredder noch etwas Nüchtern. Leider ist das System derzeit noch zu langsam, um es angemessen zu testen. Unter den „Meistverkaufen Artikeln“ sind bisher zwei Beiträge des Geschäftsführers der Spredder GmbH, Sebastian Esser, der selbst auch als freier Journalist wirkt. Mehr als 80 freie Autoren sind zum Start mit Artikeln im Shop gelistet. Hajo Schumacher steuert ebenfalls „Qualitätsjournalismus“ zum Bestand bei.

Einzelne Artikel können an mehrere Verlage/Käufer vermittelt werden. Für den Autor bedeutet dies einen Vorteil, da bei einer einmaligen Lizenzierung kaum etwas zum Leben übrig bleiben sollte. Die Verbreitung der Texte eignet sich aber eher nur für den Print-Kanal wie Zeitungen und Zeitschriften, da online durch eine mehrfache Verwendung der Texte unweigerlich doppelter Content produziert werden würde.

Im Vergleich zu etablierten Content Aggregatoren wie Textbroker und Content.de, funktioniert das Modell von Spredder andersherum. Texte werden nicht nach Bedarf „produziert“, sondern frei und unabhängig von professionellen Autoren verfasst. Wir drücken Spredder.de und seinen Machern jedenfalls fest die Daumen.


Übrigens: Mit diesem Text (abgesehen von ungenügendem Qualitätsanspruch) und einem Aufwand von etwa 70 Minuten hätte ich 21 Euro verdient, wenn der Text einmalig abgedruckt würde. Mein Frage also; kann qualitativ hochwertiger Content bei dieser Vergütung überhaupt geschaffen werden?
Carsten Tergast (Gast) - 5. Okt, 12:38

Geht's noch dumpiger?

Feine Idee. Die Honorarstruktur auf dem Markt für Freie ist eh schon durch den Wind, da setzt Herr Schumacher noch einen drauf. Und behauptet dann auch noch, zu diesem Preis "Qualitätsjournalismus" zu verkaufen.

"Dümmer geht's immer" scheint das Motto der Stunde zu sein...

Sebastian Esser (Gast) - 5. Okt, 14:18

Für wie dumm Sie uns halten, das sei Ihnen überlassen, aber Dumping sind unsere Preise nicht: 2 Cent pro Zeichen = 70 bis 80 Cent pro Zeile – das zahlen die meisten Regionalzeitungen nur selten. Gegen höhere Honorare hätten wir im Übrigen nichts, wir kriegen ja einen Anteil.
Die Idee ist eine andere: Artikel nicht teurer verkaufen als bisher (das gelingt doch schon seit Jahren nicht mehr), sondern öfter, und an Redaktionen, die man sonst nie erreicht hätte. Am Ende kommt ein höheres Einkommen raus. Und das zählt.
Wir brauchen neue Ideen für freien Journalismus. Textagenturen sind etwas, das es anderswo schon lange gibt. Bitte einfach mal ausprobieren.
Carsten Tergast (Gast) - 5. Okt, 15:17

Oh, mitten ins Wespennest... :-)

Nein, im Ernst, schön, direkte Antwort von einem der Beteiligten zu bekommen...

Ich denke, wir gehen von unterschiedlichen Voraussetzungen aus. Sie argumentieren zu Recht, dass das genannte Honorar im Bereich einiger Regionalzeitungen liegt. Nur: was heißt das?

Wer es sich als Freier irgendwie leisten kann, arbeitet doch schon lange nicht mehr für Regionalzeitungen, eben, weil niemand von diesen Honoraren auch nur annähernd existieren kann! Und eben diese Entwicklung wird m.E. befördert, wenn über Textagenturen diese Preise gestärkt werden.

Dass es Textagenturen, bzw. Zweitverwertungsplattformen für freie Journalisten nicht gebe, ist übrigens Unsinn. Es gibt andere Angebote, die sich aber nicht von vornherein auf die Dumpingpreise der Verlage einlassen, sondern individuell verhandeln. Dabei können am Ende selbstverständlich ähnlich indiskutable Honorare herauskommen, es kann aber auch mal auskömmlich sein.
Irene (Gast) - 5. Okt, 17:10

Die Idee ist eine andere: Artikel nicht teurer verkaufen als bisher (das gelingt doch schon seit Jahren nicht mehr), sondern öfter, und an Redaktionen, die man sonst nie erreicht hätte. Am Ende kommt ein höheres Einkommen raus.

Die Preise zu drücken ist langfristig gesehen keine gute Basis für ein höheres Einkommen. Ich empfehle einen Kurs in Volkswirtschaft, das erweitert den Horizont. (Wenn sich das Ganze ein BWLer ausgedacht hätte, würde mich das nicht wundern, aber Schumacher hat doch was Richtiges studiert...?)

Und: Die Verlage haben dank Buy-Out sowieso einen großen Pool an Texten, die zu ihren Ansprüchen passen und die sie für lau nachdrucken können. Die müssen nicht in irgendwelchen Portalen stöbern, um an gute Beiträge ranzukommen.

Hier ein Auftritt des Kabarettisten Florian Schröder über junge Kreative und die Generation IMM (irgendwas mit Medien):
http://www.youtube.com/watch?v=p6g8V9dSy2E
Irene (Gast) - 6. Okt, 16:48

Noch ein Lehrfilmchen zum Thema ;-)
http://www.youtube.com/watch?v=kDwA3Q9XsB4 (0:52 min)
hjherbst (Gast) - 5. Okt, 15:25

Spredder.de

Ich denke die teilnehmenden Autoren werden die zusätzliche Möglichkeit der Verbreitung gerne annehmen. Ob die Höhe der Vergütung angememssen ist, kann ich nicht beurteilen. Aber schön, dass es hier nun auch zu einer sachlichen Diskussion kommt.

Claus Spitzer-Ewersmann (Gast) - 5. Okt, 16:20

Alter Hut

Die Idee von Spredder ist gut ... so gut, dass es sie schon seit Jahren gibt: www.wortwexxel.de.
Steak-Fan (Gast) - 5. Okt, 17:41

Fragliche Einnahmen für die Autoren

Ein Text kann max 2-3 mal verwendet werden, eher weniger. Außerdem kann der Autor auf "Restposten"Artikel sitzen bleiben - also kein Umsatz hier. Ob wirklich spannende Stories oder gute Ratgebertexte so rauskommen bleibt also fraglich.